Gab es Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Unterschriften zum Isebek-Bürgerbegehren?
Der Eimsbütteler Bezirksabstimmungsleiter ist in Erklärungsnot. Er soll den Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens "Für die Respektierung des Bürgerwillens in Eimsbüttel!" und der Öffentlichkeit darlegen, warum denn vermutlich mehrere Hundert Unterschriften zum Bürgerbegehren, die noch im Oktober 2009 vom Bezirksamt als ungültig bewertet worden waren und damit fast zu einem Scheitern des Bürgerbegehrens geführt hatten, nun bei einer Neuauszählung als gültig anerkannt werden mussten. Trotz mehrfacher Nachfragen weigert sich der Bezirksabstimmungsleiter, das genaue Ergebnis der Neuauszählung bekannt zu geben oder eine nachvollziehbare Begründung für die offenbar massenhafte Nichtberücksichtigung von Unterschriften Eimsbüttler Bürger im Oktober 2009 zu präsentieren.
Wie beliebig und möglicherweise manipulierbar ist die Gültigkeitsbewertung von Unterschriften zu einem Bürgerbegehren im Bezirksamt Eimsbüttel? Diese Frage stellt sich nach Bekanntwerden des Anteils ungültig bewerteter Unterschriften bei der abschließenden Auszählung zum Bürgerbegehren "Für die Respektierung des Bürgerwillens in Eimsbüttel!" im Februar 2010. Für das Zustandekommen des Bürgerbegehrens waren 5.785 gültige Unterschriften Eimsbütteler Wahlberechtigter erforderlich. Dazu wurden, wie die Bezirksabstimmungsleitung den Vertrauensleuten erst nach langwierigen Anfragen mitteilte, 6.754 Unterschriften überprüft, von denen 969 als ungültig bewertet wurden. Das sind rund 14 %.
Viel höher, nämlich bei 34 %, lag nach Auskunft der Bezirksabstimmungsleitung vom 3. November 2009 der Anteil ungültig bewerteter Unterschriften bei der ersten, am 26. Oktober 2009 eingereichten Teilmenge von Unterschriften auf den Listen mit den fortlaufenden Nummern 1 bis 538. Von den 2.624 abgegebenen Unterschriften wurden nur 1.735 als gültig anerkannt, während 889 Unterschriften als ungültig herausfielen. Damit hatte das Bürgerbegehren die für das Drittelquorum erforderliche Sollmenge von 1.919 Unterschriften um 184 verfehlt und wäre gescheitert, hätten die Vertrauensleute am 29. Oktober 2009 nicht noch einmal 1.238 Unterschriften nachgereicht. Die Sperrwirkung des Bürgerbegehrens trat so erst mit dreitägiger Verspätung in Kraft.
34 % ungültiger Unterschriften bei der Erstabgabe gegenüber 14 % bei der Endauszählung, - wie ist das möglich? Der Versuch, die Minderung der Ungültigkeitsquote allein mit den zusätzlich zu der ersten Teilmenge überprüften Unterschriften - auf den Unterschriftslisten Nr. 539 ff. - zu erklären, scheitert daran, dass von den zusätzlich überprüften 4.130 Unterschriften bei dieser Berechnung nur 80 als ungültig bewertet worden wären, - das ergäbe einen völlig unrealistischen Anteil von nur 2 % ungültiger Unterschriften. Daraus folgt zwingend, dass die am 26. Oktober 2009 eingereichte Teilmenge an Unterschriften - davon angeblich 34 % ungültig - neu ausgezählt wurde, und dass dabei ein ganz erheblicher Anteil der zuvor für ungültig erklärten Unterschriften sich nachträglich als gültig herausstellte.
Zur Abschätzung des bei der Neuauszählung festgestellten Anteils ungültiger Unterschriften ist es plausibel anzunehmen, dass dieser ungefähr dem Anteil in der Gesamtmenge überprüfter Unterschriften entspricht, nämlich 14 % gegenüber den zuvor angegebenen 34 %. Demnach waren bei der Neuüberprüfung der Unterschriftslisten Nr. 1 bis 538 nur etwa 376 Unterschriften ungültig, nicht aber 889. Das heißt, dass bei der Erstüberprüfung der Unterschriften vom 26. Oktober 2009 etwa 513 Unterschriften falsch bewertet und zu Unrecht ausgesondert wurden. Mithin hätte das Bürgerbegehren bereits am 26. Oktober 2009 mit etwa 2.248 gültigen Unterschriften das Drittelquorum und damit die Sperrwirkung gemäß § 32 Absatz 5 des Bezirksverwaltungsgesetzes glatt erreichen müssen, wonach "eine dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung durch die Bezirksorgane nicht mehr getroffen und mit dem Vollzug einer solchen Entscheidung nicht begonnen werden" durfte.
Angesichts der hohen Zahl von vermutlich über 500 falsch bewerteten und bei der Feststellung der Sperrwirkung des Bürgerbegehrens nicht berücksichtigten Unterschriften wird das Bezirksamt Eimsbüttel nicht umhinkönnen, den Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens und der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber abzulegen,
● wie viele der am 26. Oktober 2009 auf den Unterschriftslisten Nr. 1 – 538 abgegeben Unterschriften zum Bürgerbegehren bei der erneuten Überprüfung im Februar 2010 als ungültig und wie viele als gültig bewertet wurden;
● welche Gründe es für die mutmaßlich hohe Differenz zwischen den Prüfergebnissen im Oktober 2009 und im Februar 2010 gibt ( - die aufgrund des dreimonatigen Zeitabstands der Stichtage zu erwartende, demografisch verursachte Abweichung dürfte die Größenordnung von ± 10 Unterschriften nicht überschreiten);
● ob die Sperrwirkung des Bürgerbegehrens in Wirklichkeit bereits am 26. Oktober 2009 eingetreten ist;
● ob in der Zeit vom 26. bis 29. Oktober 2009 eine dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung durch die Bezirksorgane getroffen oder auch mit dem Vollzug einer solchen Entscheidung begonnen wurde;
● wer für die mutmaßlichen Fehler der Verwaltung verantwortlich ist.
Die im Kreuzfeuer der Kritik stehende Bezirksabstimmungsleitung trägt wenig zur Aufklärung der Angelegenheit bei und behindert diese eher. Für Auskünfte zu der beanstandeten Unterschriftenauszählung verlangt die Bezirksabstimmungsleitung Geldzahlungen von den Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens in Höhe von zunächst 198 Euro. Und wichtige Beweismittel, wie die Prüfanweisungen zur Feststellung des Drittelquorums vom Oktober 2009, die handschriftliche Ergänzungen enthielten, sind inzwischen aus den Akten entfernt worden.
Eine ernsthafte Aufarbeitung der Eimsbütteler Unterschriftenaffäre durch eine unabhängige, dritte Instanz erscheint daher unumgänglich.